Donnerstag, 14. September 2017

Wie es dazu kam (mit Link zum Video)

Die Neugierde für das Segeln begleitet mich schon seit geraumer Zeit, obwohl ich mich zu jenem Menschenschlag zähle, der sich am wohlsten fühlt, wenn er mit beiden Beinen auf festem Untergrund steht. Filme wie „White Squall – Reißende Strömung“ oder „Master & Commander – Bis ans Ende der Welt“ übten auf mich eine Faszination aus, die sich nicht so recht in Worte fassen ließ.

Der Wunsch, einmal selbst an Bord eines Segelschiffs zu gehen, verdichtete sich, als ich eine Reportage über eine Atlantiküberquerung im Fernsehen sah und nebenbei zwei Bücher in die Hände bekam, die jeweils von einer Familie handelten, die ihr Haus gegen ein Schiff und ihren Alltag gegen einen neuen Lebensabschnitt eintauschten.

So kam es, dass ich auf Ben Hadamovsky aufmerksam wurde, der in seinem Buch „Mit allen Wassern gewaschen“ höchst unterhaltsam von einer mehrjährigen Weltumsegelung berichtet, die er mit seiner Familie unternommen hat. Wenig später fand ich mich auf Bens Homepage wieder. Dort stieß ich auf sein Experiment „UNBEZAHLBAR“, bei dem er die Möglichkeit anbietet, mit ihm eine Woche zusammen in der dänischen Südsee segeln zu gehen. Als Kosten fallen die laufenden Ausgaben für Lebensmittel, Diesel und Hafengebühren an. Was jeder darüber hinaus für dieses Erlebnis zu geben bereit ist, bleibt jedem selbst überlassen.

Hier bot sich mir also gleich in mehrerer Hinsicht eine einmalige Gelegenheit: Nicht nur konnte ich endlich herausfinden, ob ich über „Seebeine“ verfüge, sondern zudem den Mann hinter dem Buch kennenlernen und Teil eines spannenden Experiments werden.

Diese Mischung ließ mich meine restlichen Bedenken vollends über Bord werfen. Kurzerhand nahm ich mit Ben Kontakt auf und meldete mich Ende Juni als Proband für einen Segeltörn an, der Anfang September stattfinden sollte. Das Abenteuer konnte beginnen.

Eindrücke in bewegten Bildern gefällig? Hier geht es zum Vimeo-Video Segeln auf der Phoenix mit Ben Hadamovsky von Philipp Stelzner.

2. September: Anreise

Vor dem Reiseantritt stellte ich fest, dass es mindestens neun Stunden braucht, um mich vom Schwarzwald nach Flensburg zu befördern. Da wir uns am späten Nachmittag bei Bens Schiff einfinden sollten, entschied ich mich dafür, bereits am Vortag anzureisen und in Flensburg zu übernachten. Dies erwies sich als weiser Entschluss. Prompt kam der ICE mit Verspätung in Hamburg an, so dass ich den Anschlusszug nach Flensburg verpasste. Also nutzte ich die Gelegenheit, um mir vor dem Hamburger Hauptbahnhof die Füße zu vertreten.

Aufenthalt am Hamburger Hauptbahnhof
Um 22 Uhr traf ich dann dank guter Busverbindung vor Ort – nach knapp elf Stunden Reisezeit in der Jugendherberge Flensburg ein, welche sich in der Nähe des Stadions im Stadtteil Fruerlund befindet.

3. September: Flensburg – Ochseninseln

Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg in die Flensburger Innenstadt. Bei sonnigem und warmem Wetter spazierte ich am Ostufer der Flensburger Förde entlang und kam dabei am Industriehafen und der Ballastbrücke vorbei. Ich schnupperte Ostseeluft.

Panorama von Flensburg mit Stadthafen (Im Jaich)
In Flensburg vertrieb ich mir die Zeit, indem ich den Nordermarkt erkundete, mir in einem asiatischen Restaurant ein Mittagessen genehmigte.
Eindrücke aus der Großen Straße beim Nordermarkt
Wie es der Zufall wollte begegnete ich beim Sonnetanken im Stadthafen Daniel, der sich ebenfalls für den Segeltörn angemeldet hatte. Zusammen begaben wir uns zum vereinbarten Steg, wo uns die „Phoenix“ bereits erwartete. Dort trafen wir nicht nur unseren Kapitän und Gastgeber Ben an, sondern auch Philipp und Ulrich, die die Schiffscrew vervollständigten.
Nach einer Vorstellungsrunde bekamen wir eine Führung durch das Schiff, welches für die kommenden Tage unser Zuhause sein würde. Zu unserer Überraschung gestaltete sich das Innenleben der „Phoenix“ überaus gemütlich und geräumig. Zudem wartete es mit ausreichend Stauraum auf, so dass wir unsere Kleidung und Mitbringsel in entsprechende Fächer verstauen konnten.

Die gemütliche Wohnstube der Phoenix - und zugleich das Nachtquartier von Daniel und mir

Danach folgte eine kurzweilige Sicherheitsunterweisung. Im Mittelpunkt standen das An- und Ablegen der Rettungsweste, der Standort von Löschmitteln sowie gewisse Prozeduren, die im Notfall Anwendung finden. Aber auch die ungewohnte Bedienung der Bordtoilette will gelernt sein. Eine Regel blieb mir dabei besonders im Gedächtnis haften: „Eine Hand für das Schiff, eine Hand für dich“. Jeder an Bord ist für seine eigene Sicherheit verantwortlich, weshalb stets eine Hand zum Festhalten genutzt werden sollte, um nicht über Bord zu gehen – entsprechende Haltegriffe oder Leinen gibt es mehr als genug.
Im Anschluss legte uns Ben seinen Vorschlag für den anstehenden Segeltörn vor, welchen er anhand des neuesten Wetterberichts zusammengestellt hatte. Auch wenn die Wettervorhersagen in den darauffolgenden Tagen in den wenigsten Fällen Recht behalten sollten – besonders im Hinblick auf Windstärke und Windrichtung – kamen wir mit den gesteckten Etappenzielen gut zurecht.
Noch am selben Abend brachen wir zu unserer ersten Fahrt auf, die uns bereits in dänische Küstengewässer führte. Allerdings mussten wir die gesamte Strecke bis zu den Ochseninseln mit dem Motor zurücklegen, da Windflaute herrschte. So konnten wir uns in aller Ruhe mit der „Phoenix“ und dem ungewohnt schwankenden Untergrund vertraut machen.
Die Crew der Phoenix ist guter Dinge (von links): Ulrich, Philipp, Steffen, Daniel (Foto: Ben Hadamovsky)
Nach einer kurzweiligen Fahrt (ca. 5 nm) setzten wir in der Nähe der Ochseninseln Anker und verbrachten unsere erste Nacht an Bord des Schiffs.

4. September: Ochseninseln – Ærøskøbing

Nach dem Frühstück brachen wir zeitig zu unserer größten Überfahrt aus. Die Reise sollte von den Ochseninseln in die dänische Südsee auf die Insel Ærø gehen (ca. 40 nm). Allerdings machte sich der Wind an diesem sonnigen Tag rar. Über weite Strecken sahen wir uns gezwungen, den Motor anzuwerfen, um eine allzu späte Ankunft am Ziel zu vermeiden.


Vorschau auf kommende Ereignisse - Segler mit gesetztem Blister

Um die Mittagszeit setzten wir zum ersten Mal die Segel und bekamen eine Vorstellung davon, was es bedeutet, von der Kraft des Windes angetrieben zu werden. Bei besten Bedingungen genossen wir die Überfahrt in vollen Zügen, ließen uns von der Sonne verwöhnen und fühlten uns auf der Phoenix sichtlich wohl. Der mäßige Wind in Verbindung mit einem leichten Wellengang erlaubte es, sich weitestgehend frei auf dem Deck zu bewegen, Fotos zu schießen, Videos aufzunehmen und ein Gefühl für das Schiff zu bekommen. Wie auch in den kommenden Tagen wurde am Steuerrad mehrmals durchgewechselt, so dass sich ein jeder – unter Bens Anleitung – für eine gewisse Zeit als Skipper fühlen konnte.

Endlich ein wenig Wind: Segeln in der Schmetterling-Segelstellung
Ben weiß seine Umgebung stets zu deuten (Wellengang, Böen, Absichten anderer Segler, ...)
Sich während des Segelns einfach von der Sonne verwöhnen lassen ...

Richtig spannend wurde es, als wir am Abend den Hafen von Ærøskøbing ansteuerten und das erste, gemeinsame Anlegemanöver anstand. Im Vorfeld galt es die Vor- und Achterleinen an den vorgesehenen Klampen des Schiffs zu befestigen und die Fender beidseits der Bordwand mittels Webleinstek-Knoten anzubringen. Danach instruierte uns Ben, wie das Manöver ablaufen würde, woraufhin die anstehenden Aufgaben verteilt wurden. Während zwei Mann sich um die Ausbringung der Achterleinen und der vorbereiteten Fender kümmerten, galt es auf dem Vorschiff die Leinen am Pier an hierfür vorgesehenen Pollern zu befestigen. Hierzu musste ein Freiwilliger rasch vom Schiff auf den Pier springen, um die Leinen am jeweiligen Poller zu fixieren und an den zweiten Mann auf dem Vorschiff zurückzugeben. Beim Anlegen galt es also in schneller Abfolge soeben Erlerntes gleich richtig anzuwenden.

Tatsächlich verlief das Anlegemanöver ohne Probleme, so dass wir gegen 20 Uhr Fuß auf die dänische Insel Ærø setzen konnten. Zum Abschluss des Tages machten wir noch einen Abstecher durch das Städtchen Ærøskøbing und kehrten im Pub „Arrebo“ ein. Dort genossen wir gleich zwei örtliche Spirituosen-Spezialitäten. Neben verschiedenen, leckeren Ærø-Biersorten galt es als rare Köstlichkeit auch den Ærø-Whisky zu probieren – beides kann uneingeschränkt weiterempfohlen werden.

Im Pub Arrebo: Ærø-Bier mit Walnuss-Geschmack
Als wir zufrieden am Tisch saßen und sich heitere Gespräche entwickelten, bemerkte ich, dass meine Umgebung immer noch hin und her schaukelte – eine Sinnestäuschung, die ich grundsätzlich als gutes Zeichen wertete. Als ich die Frage an die Runde richtete, ob es jemandem ebenso ergeht, wollte Philipp nur wissen, wie viel vom Whisky ich schon getrunken habe …

5. September: Ærøskøbing – Dyvig

Den Vormittag gingen wir überaus entspannt an. Nach dem Frühstück erkundeten wir bei Tageslicht das Städtchen Ærøskøbing, welches über sehr viel Charme verfügt. Das liegt auch daran, dass die Stadt aus einer anderen Epoche zu stammen scheint, was durchaus den Tatsachen entspricht. Nicht ohne Grund steht Ærøskøbing unter Denkmalschutz, was gewiss zur Bewahrung seines malerischen Flairs beigetragen hat.

Unser schwimmendes Zuhause für die nächsten Tage (Najad 360)
Die Phoenix im Hafen von Ærøskøbing stiehlt allen die Schau (Foto: Ulrich Stelzner)

Ein Rundgang durch die malerische Stadt Ærøskøbing lohnt sich allemal
Schnuggelige Häuser, die in der Tat aus einer anderen Epoche stammen (Foto: Ulrich Stelzner)
Ein Platz, der zum Verweilen einlädt - und eine Whisky-Tour ist ebenfalls möglich, wem eher nach Zerstreuung ist

Letztlich fanden wir uns in einem stimmungsvollen Café ein, wo wir die Atmosphäre in uns aufnahmen und die zahlreichen Erzeugnisse begutachteten, die aus der Umgebung stammen und zum Verkauf angeboten werden. Zudem ließ ich es mir nicht nehmen, die Brennblase zu besichtigen, die aus Baden-Württemberg stammt und in der jener Whisky hergestellt wird, von dem ich am Abend zuvor gekostet hatte.

Selten habe ich ein gemütlicheres Café / Geschäft besucht ...
... so dass man gerne die angebotenen Waren in Augenschein nahm oder die heimelige Atmosphäre genoss.
Tja, der Ærø-Whisky war leider schon komplett ausverkauft ...
... dafür konnte man gleich um die Ecke die entsprechende Brennblase besichtigen, die aus Oberkirch stammt.

Am frühen Nachmittag machten wir dann die Leinen los und setzten Segel in Richtung Dyvig (ca. 35 nm). Wir wurden mit mäßigem, anhaltendem Wind bedacht, so dass wir die Strecke – abgesehen vom Ab- und Anlegemanöver – zum ersten Mal ohne Zuhilfenahme des Dieselmotors zurücklegten.
Unterwegs sichteten wir mehrere Schweinswale, die in der Nord- und Ostsee anzutreffen sind. Da es sich in der Regel um scheue Tiere handelt, bekamen wir lediglich die Rücken mitsamt Finne zu Gesicht. Leider war die Entfernung zu groß, um brauchbare Fotos zu machen.

Jetzt segeln auch wir mit gesetztem Blister-Vorsegel
Sanftes Dahingleiten bei ruhiger See in der Schmetterling-Segelstellung (Foto: Philipp und Ulrich Stelzner)

Obwohl man während der Überfahrt die meiste Zeit im Cockpit sitzt und bis auf das ein oder andere Wende- oder Halsemanöver nicht sonderlich viel zu tun hat, kam bei mir komischerweise nie Langeweile auf. Die frische Brise, die sich kräuselnde See, schäumende Wellen, das Schaukeln des Schiffes, das nahe und doch so ferne Ufer, die anderen Segler um einen herum: Es gab immer irgendwo etwas Neues zu entdecken. Nach einer Weile begann ich, Zeit gänzlich anders wahrzunehmen. Zwar ertappte ich mich immer wieder dabei, auf die Geschwindigkeitsanzeige (in Knoten) zu schielen, dennoch gefiel mir diese Art der Fortbewegung sichtlich. Als Glücksfall erwies sich, dass niemand von uns – auch bei rauem Wellengang – an Übelkeit litt, so dass ein jeder die Reise in vollen Zügen genießen konnte.

Am Steuerrad wurde immer wieder abgewechselt, so dass sich jeder für kurze Zeit als Skipper fühlen konnte
Die Dämmerung setzte bereits ein, als wir den Hafen von Dyvig ansteuerten, der in einer geschützten, natürlichen Bucht liegt, die schon von den Wikingern aus strategischen Gründen genutzt worden ist. Beim Anlegemanöver wurden wir bereits von Saskia erwartet, die uns beim Vertäuen des Schiffs zur Hand ging. Ihr war beim Einlaufen der Schiffsname aufgefallen. Und da Saskia schon seit geraumer Zeit Bens Experiment auf der „Phoenix“ verfolgte und unterstützte, wollte sie die Gelegenheit wahrnehmen, um den Initiator endlich persönlich kennenzulernen.

Nach dem Abendessen folgte ein kurzer Landgang mit einer Begehung des am Pier befindlichen Badehotels, bei dem es sich um ein gehobenes Etablissement handelt. Danach riefen auch schon unsere Kojen, waren wir nach diesem ereignisreichen Tag doch ziemlich „geschafft“.

6. September: Dyvig – Maasholm

Nachdem wir bislang vom Wetter regelrecht verwöhnt worden waren, stellten sich auf unserer vierten Etappe (ca. 30 nm) Regen und Wind ein, so dass wir zum ersten Mal unsere Gummistiefel und unser Ölzeug aus den Fächern hervorholen mussten.

Das illustre Badehotel direkt am Hafen von Dyvig
Ölzeug ist das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, den Regen wirksam abzuhalten
Trotz durchwachsenen Wetters eröffneten sich uns viele interessante Stimmungen

Wir ließen Dyvig hinter uns und folgten dem Verlauf des „Als Fjord“ in südöstlicher Richtung und fuhren im Anschluss mittels Dieselmotor den „Als Sund“ hinab. In Sønderborg passierten wird eine Klappbrücke, die zu jeder vollen Stunde für kurze Zeit für den Schiffsverkehr geöffnet wird. Auf diese Weise landeten wir erneut in der Flensburger Förde. Von dort trieb uns der Wind rasch zum Hafen von Maasholm.

Geöffnete Klappbrücke bei Sønderborg unmittelbar vor der Durchfahrt ...
... und danach.
Eindrücke von Sønderborg bei der Durchfahrt des „Als Sund“

Neben dem Frühstück gab es über den Tag verteilt zwei warme Mahlzeiten, die von Ben zubereitet wurden und ganz klar einen Höhepunkt des Tages darstellten. Während es zur Mittagszeit eine köstliche Suppe zu essen gab, kredenzte er uns abends eine üppige Hauptmahlzeit. Dabei war nicht nur verblüffend, wie schnell das Kochen in der engen Kombüse vonstattenging, sondern wie lecker und abwechslungsreich sich die Mahlzeiten gestalteten. Zwischendurch gab es zudem kleine Snacks zu essen und ein Heißgetränk nach Wahl zum Schlürfen.

Die Kombüse – jener Ort, an dem uns Ben tagtäglich leckere Mahlzeiten in Rekordzeit zubereitet hat (Foto: Ulrich Stelzner)

Außer den wechselnden Winden und dem unsteten Wetter sorgte in den kommenden Tagen auch die Ausführung unterschiedlichster Aufgaben für Abwechslung. Stets zeigte sich Ben geduldig und leidenschaftlich, wenn es darum ging, das Handwerk des Segelns an uns weiterzugeben. So war es nicht überraschend, dass wir alle bestrebt waren, jede Anweisung zumindest einmal selbst auszuführen: Sei es das Setzen oder Einholen des Vor- oder Großsegels, das Dichtmachen oder Fieren des Vorsegels oder der Großschot, die Übernahme des Steuerrads, die Überwachung des Echolots (Messung der Wassertiefe), die Verfolgung des eingeschlagenen Kurses anhand des Kartenmaterials, Prüfung auf mögliche Kollisionen in Anbetracht der Ausweichregeln bei Segelfahrzeugen, … Langeweile kam also nie auf.

Das Großsegel der Phoenix – am Steuerrad gilt es stets die Windrichtung im Auge zu behalten (Foto: Ulrich Stelzner)

Unser Abendessen nahmen wir im Restaurant „Schunta“ ein. Dort kosteten Daniel und ich auf Ulrichs Empfehlung hin das Labskaus-Gericht, welches sich in Norddeutschland großer Beliebtheit erfreut und mir überaus gut geschmeckt hat. Zudem kamen wir in den Genuss des sogenannten „Hängebauch“-Spezialcocktails (Schnaps mit Sardelle), zu dem wir später eingeladen worden sind.

7. September: Maasholm – Wackerballig

Am nächsten Vormittag erhielten Daniel und ich eine Stadtführung durch Maasholm. Ulrich als Ortskundiger zeigte uns die Kleinode, die sich in diesem Städtchen verbergen. Gerade die kleinen, mit Reet gedeckten Häuser versprühen ihren ganz eigenen Zauber.

Morgenstimmung im Hafen von Maasholm
Gemeinsame Einnahme des Frühstücks unter Deck
Das mit Reet gedeckte Rathaus von Maasholm
Malerische Eindrücke entlang des Weges
Typisches Straßenbild von Maasholm (mit Katze)

Danach machten wir uns bei bewölktem, aber trockenem Wetter auf nach Wackerballig (ca. 18 nm). Bei kräftigen Winden, die bis zu acht Beaufort erreichten, kreuzten wir bei ausgeprägter Krängung (Schräglage) gegen entgegenkommende Wellen an, was die bislang abenteuerlichste Etappe mit sich brachte. Trotz des ständigen Auf und Ab begab sich Ulrich eine Zeit lang unter Deck und versuchte sich im Vorschiff an einem Nickerchen. Allerdings waren die Schläge, die dort durch die aufgebrachte See verursacht wurden, derart heftig, dass er sein Vorhaben aufgeben musste.

Auch an Leuchttürmen führte die Reise vorbei

Nach einer gefühlt kurzen Überfahrt kamen wir am späten Nachmittag im malerisch gelegenen Hafen von Wackerballig an. Das dort befindliche Café Wackerpulco besuchten wir im restlichen Tagesverlauf gleich mehrfach. Außerdem bot sich die Gelegenheit, Kitesurfern beim Üben zuzuschauen.

Der Hafen von Wackerballig mit dem Café Wackerpulco
Daniel und ich nutzten das beständige Wetter um einen kleinen Spaziergang entlang des Naturlehrpfads Wackerballig zu unternehmen, der uns an schönen und abwechslungsreichen Landschaften aus Laubwäldern, Weiden und Auen vorbeiführte.

Beschauliche Wanderung auf dem Naturlehrpfad Wackerballig
Gemeinsam ließen wir den Abend im Wackerpulco ausklingen.

8. September: Wackerballig – Flensburg

Unser letzter Segeltag gestaltete sich überaus regnerisch und windig und verlangte uns Seglern alles an Erfahrungswerten ab, was wir uns bis dahin angeeignet hatten. Hart am Wind segelten wir im Pulk vieler anderer Segler die Flensburger Förde zurück in Richtung Flensburger Hafen, wobei wir zahlreiche Wendemanöver vollzogen, um gegen den Wind aufzukreuzen. Nachmittags legten wir dann wohlbehalten am Steg an und konnten uns gegenseitig feierlich die Hände schütteln.

Kurz vor unserer Ankunft in Flensburg, bevor es wieder zu regnen begann

Sichtlich geschafft ruhten wir uns aus, ehe wir am Abend zum westlichen Ufer Flensburgs aufbrachen, um dort das Restaurant „Le Kiosque“ zu besuchen, welches noch als Geheimtipp gilt. Dabei handelt es sich um einen vormaligen Kiosk, der Platz für maximal 18 Gäste bietet. Eine Bewirtung findet lediglich freitags und samstags um 17:30 und 20:30 Uhr statt. Zur Auswahl stehen zwei Menüs, wobei stets eine vegetarische Variante angeboten wird. Neben der außergewöhnlichen Atmosphäre ist auch die winzige Küche, in der der Koch zu Werke geht, einen Abstecher wert.

Abendstimmung in Flensburg
Im Restaurant Le Kiosque geht es etwas enger und ungewöhnlicher zu

Zu fortgeschrittener Uhrzeit kehrten wir zur „Phoenix“ zurück, wo wir zum letzten Mal unsere Kojen bezogen, bevor es am nächsten Tag hieß: Abschied nehmen.

9. September: Abschied & Rückreise

Der Abschied am Vormittag fiel bei mir mit gemischten Gefühlen aus: Einerseits war ich dankbar, dass ich dieses Abenteuer mit dieser tollen Crew zusammen erleben durfte. Andererseits hätte ich gerne noch ein paar Tage an den Segeltörn drangehängt, der unheimlich schnell vorübergegangen war.

Der Kapitän mit seiner einwöchigen Crew – der Abschied fiel schwer (Foto: Philipp Stelzner)

Nach einer herzlichen Verabschiedung von Ben führten unsere Wege zurück zum Flensburger Bahnhof, von wo aus wir unsere jeweilige Heimreise antraten. Gerade die Zugfahrt mit dem ICE von Hamburg nach Rastatt gestaltete sich bei mir wieder besonders anstrengend. Doch gegen 21 Uhr desselben Tages hatte mich der Schwarzwald wieder.

Danksagung

An erster Stelle möchte ich Ben Hadamovsky danken. Nicht nur gelang es ihm, meine Vorbehalte und Ängste gegenüber dem Segeln zu zerstreuen, sondern auch seine Leidenschaft auf mich zu übertragen. Wenn es einen Botschafter für das Segeln braucht, so ist man bei Ben und seiner „Phoenix“ bestens aufgehoben. Außerdem handelt es sich bei ihm um eine spannende Persönlichkeit, die bewusst nach einem alternativen Lebensstil sucht.

Leidenschaft pur – wenn es einen Botschafter für das Segeln braucht, ist Ben genau der richtige Mann! (Foto: Philipp Stelzner)
Bei Daniel Jungkunz sowie Philipp und Ulrich Stelzner möchte ich mich zu gleichen Teilen für das großartige Miteinander, die Begeisterung, die zahlreichen Eindrücke und die humorvollen Stunden bedanken. Euer (Mit-)Wirken hat maßgeblich dazu beigetragen, dass mir dieses Abenteuer noch lange in bester Erinnerung bleiben wird. Darüber hinaus werden mich unsere zahlreichen Gespräche noch lange beschäftigt halten.

Eine Seefahrt, die ist lustig – mit dieser Crew würde ich jederzeit wieder in See stechen

Bei Philipp möchte ich mich für das Video bedanken, welches er mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit zusammengestellt hat, die bewundernswert ist. Auf diese Weise lässt sich noch viele Jahre lang gut und gerne in Erinnerungen schwelgen.

Bei Ulrich bedanke ich mich, dass er jeden Tag sicherstellte, dass ich meine Segeln-Vokabeln ordentlich paukte (O-Ton: „Lass uns mal kurz die Bilge lenzen“).

Für die gastfreundliche Aufnahme in Maasholm möchte ich mich bei Renate und Oskar bedanken, die uns bei dieser Gelegenheit mit den örtlichen Gepflogenheiten und Begebenheiten vertraut gemacht haben.

Selbst schmuddeliges Wetter vermochte es nicht, unsere Laune zu trüben (Foto: Ulrich Stelzner)

Meine Gedanken zu Bens Experiment

Die Erfindung des Geldes gehört gewiss zu den größten Errungenschaften der Menschheitsgeschichte. Doch wird dem Geld – meiner Meinung nach – zu viel Wert beigemessen. Den Stellenwert, den die Kirche vor der Renaissance innehatte, gebührt dieser Tage den Banken und dem Geld. Ersichtlich wird dies nicht nur in den alltäglichen Gesprächen, sondern auch an den Banken-Wolkenkratzern, die die Tempel der Neuzeit darstellen. Was dabei gern vergessen wird, ist, dass das Geld dem Menschen dienen sollte und nicht umgekehrt.

Skyline von Frankfurt bei meiner Anreise – Banken-Wolkenkratzer en masse

Insofern finde ich Bens Experiment überaus spannend, weil es gewisse Grundannahmen und Selbstverständlichkeiten unserer Zeit infrage stellt. Was geschieht, wenn ein Angebot wie dieser Segeltörn mit keinem Preisschild versehen ist? Für mich, als derjenige, der den Segeltörn in Anspruch genommen hat, kann ich sagen, dass ich mich ohne eine belastende Erwartungshaltung auf dieses Abenteuer einlassen konnte. Durch den gewählten Ansatz stellte Ben das Segeln und das Miteinander in den Mittelpunkt, was gewiss dazu beigetragen hat, dass es ein unvergessliches Erlebnis geworden ist – vielen Dank nochmals an dieser Stelle!

Umso mehr sah ich mich nach meiner Rückkehr vor die Herausforderung gestellt, was mir diese Expedition am Ende „wert“ war. In der Tat sind die Eindrücke, Erlebnisse und Begegnungen unbezahlbar. Daher geht es mir bei der Spende in erster Linie darum, dass ich Ben darin bestärken möchte, sein Experiment fortzusetzen. Natürlich möchte ich auch dafür sorgen, dass weitere, neugierige Menschen die Möglichkeit haben, Teil dieses Experiments zu werden. Mehr denn je braucht es in diesen Tagen Menschen, die den Mut haben, Bekanntes loszulassen und neue Wege zu bestreiten. Umso mehr wünsche ich Ben, dass seine Hoffnungen, die mit diesem Experiment verbunden sind, in Erfüllung gehen mögen. Bei mir haben dieser Segeltörn und dieses Experiment gewiss zu neuen Denkanstößen geführt – die Auswirkungen werden sich wohl erst im Rückblick fassen lassen.

Ein Segeltörn, ein Experiment und zahlreiche Begegnungen und Gespräche, die zum Nachdenken anregen ... (Foto: Philipp Stelzner)